Alleingang am Everest
Adolf Brunnthaler
Sepp Hinding ist der erste Österreicher, der den Gipfel des Mount Everest über die Nordroute von Tibet aus erreicht hat, noch dazu ohne Flaschensauerstoff und als einziger seines Teams. Sepp Hinding wurde damit nach Peter Habeler der zweite Österreicher, dem die außerordentliche sportliche Gewaltleistung einer Mt. Everest Besteigung ohne Flaschensauerstoff gelang! Der Zusatz "im Alleingang" im Buchtitel ist leider etwas irreführend, denn von einem "echten Alleingang" kann heute in den Hauptsaisonszeiten am Mount Everest wohl nicht mehr gesprochen werden, selbst wenn man – wie Hinding ab 8.500 m Höhe – ohne Begleiter zum Gipfel steigt. Das interessante und reich bebilderte Buch schildert nicht nur den Werdegang des oberösterreichischen Alpinisten. Durch Hindings sehr persönliche und lebendige Erzählungen seiner Erlebnisse gewinnt man vor allem einen tiefen Einblick in heutige Expeditionen auf Achttausender-Normalwegen. Der Autor Adolf Brunnthaler skizziert nämlich auch Hindings erfolgreiche Besteigungen von Manaslu, Cho Oyu und Shisha Pangma.
Sepp Hinding wurde am 14. April 1948 in Weyer an der Enns/Oberösterreich geboren und begann seine Bergsteigerlaufbahn 1965 im Gesäuse zusammen mit Sepp Larch, dem Erstbesteiger des Gasherbrum II. Nach einer Tischlerlehre und dem Bundesheer trat er 1970 in den Postdienst als Zusteller ein. In vierzig Jahren unternahm Sepp Hinding weit über tausend Schitouren.
Nach der Besteigung aller Gesäuseberge kam von 1970 bis 1974 eine Phase des extremen Kletterns in den Schwierigkeitsbereichen 5 und 6. Es folgten mehrere Fahrten in die Westalpen, vom Matterhorn zum Mont Blanc. Schließlich lockten andere Kontinente mit Klassikern wie dem Huascaran in Peru, dem Elbrus im Kaukasus, dem Aconcagua in Argentinien, dem Mount Kenya in Kenya oder dem Kilimanjaro in Tansania, die im Buch ebenso beschrieben sind wie ein Versuch am Kantschendzönga.
Immer wieder hatte er auch das Glück zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein: 1995 traf er im Basislager Everest Nord den Russen Anatoli Boukreev, der ein Jahr später zum tragischen Helden bei der größten Katastrophe am Everest werden sollte. 1999 verbrachte er gerade einige Tage im Basislager an der Südseite des Everest als die Nachricht vom Auffinden der fast unversehrten Fettwachsleiche von George Leigh Mallory eintrifft. Mallory und Andrew Irvine waren 1924 mit Nagelschuhen und einfachster Ausrüstung zusammen bis auf wenige hundert Meter an den Gipfel herangekommen und dann auf rätselhafte Art verschwunden.
Als Mitglied der österreichischen Naturfreunde war und ist Umweltbewusstsein auf den höchsten Bergen der Welt für Sepp Hinding selbstverständlich. Dazu gehörte auch das Bergsteigen am Mount Everest mit fairen Mitteln, das heißt ohne Verwendung von künstlichem Sauerstoff, ohne das Zurücklassen von Müllbergen und Bergsteigen in überschaubaren Gruppen, mit Freunden, auf die er sich verlassen konnte ...