bergbücher

Zwischen Hitler und Himalaya

Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer

 

Gerald Lehner

 

Anlässlich der Hollywood Verfilmung "Sieben Jahre in Tibet" im Jahre 1997 veröffentlichte Gerald Lehner erstmals die Ergebnisse seiner Recherchen über den wohl berühmtesten österreichischen Abenteurer, Forschungsreisenden und späteren Vertrauten des Dalai Lama Heinrich Harrer, um dessen Verstrickungen in den Nationalsozialismus aufzuzeigen. Lehner, ein gleichermaßen engagierter Journalist wie Alpinist und Bergrettungsmann, forschte in Eigeninitiative in den Nationalarchiven der USA und fand die 80-seitige Akte des Kärntner Bergsteigers, der der Einzige unter den vier erfolgreichen Erstbegehern der Eiger Nordwand war, der zu Beginn der Tour reguläres Mitglied von SS und NSDAP war.

In dem Buch greift der Autor den gesamten Fall und die bekannten Akten noch einmal auf und dokumentiert mit geradezu kriminalistischer Akribie Harrers Vergangenheit und Aussagen neu. Dass es dem Autor dabei aber nicht um eine "Abrechnung" mit Harrer geht, wird bald klar. Vielmehr ist ein Hauptthema des Buches, was sich seit 1997 im internationalen Diskurs zum Thema Harrer abgespielt hat. Dazu zählen Themen wie die weiterhin auftauchenden "Unwahrheiten, Klischees, öffentlichen und veröffentlichten Meinungen über einen österreichischen Nationalhelden". Damit trifft das berührende Buch ein sensibles Kapitel der alpinen Geschichte und einen immer noch blanken Nerv unserer Zeit – sicher nicht nur in Österreich.

Lehner beschäftigt sich aber auch mit anderen, brisanten historisch-politischen Zusammenhängen, mit denen Harrer zwar nur ganz am Rande zu tun hat, die aber gleichwohl hoch interessant sind. So beschreibt er mit spitzer Feder neben historischen Fakten und Zusammenhängen auch moderne Spannungsfelder in journalistischer Form, die mehr die Gegenwart als die Vergangenheit betreffen. Dazu zählt vor allem Lehners kritische Analyse der tibetischen Exilregierung und des "Popstars" Dalai Lama selbst bis hin zu Initiativen der CIA.
Das Buch stimmt nachdenklich und relativiert viele Bilder, die man üblicherweise von der Himalaya-Region zeichnet: Lehner spricht von US-Dollarmillionären im Sherpaland, übt Kritik an fehlgelenkten Entwicklungshilfeprojekten und entmystifiziert die im Westen so populäre "Free-Tibet-Ideologie", indem er Machenschaften der tibetischen Exilregierung in Indien aufzeigt und die Krise deren Tibetpolitik erläutert.


Das Werk ist mit zahlreichen Belegen und Zitaten versehen, sprachlich ansprechend und spannend. Insgesamt ist es ein umfangreiches Dokument, das sich mit pseudoreligiöser Propaganda, esoterischem Faschismus, Tibet-Klischees, Hitler und Buddha, Harrers Nazi-Vergangenheit und dem modernen Sinnsucher-Massentourismus befasst. Es ist ein Buch, das für Diskussionsstoff sorgt und man daher nicht nur vor einer eigenen Tibetreise gelesen haben sollte.

BUCHDATEN und VERLAG

Zwischen Hitler und Himalaya
Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer

Gerald Lehner

Hardcover

304 S.

Zahlreiche SW-Abbildungen

ISBN 3-7076-0216-8

13,5 x 21,5 cm

EUR 24,40

 

www.czernin-verlag.com

 

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